
Der tägliche Kampf – „Der Aufstieg“
Immer wieder höre ich ja von übergewichtigen Personen, dass sie sich wohl fühlen.
Das ist toll. Jeder Mensch soll so leben, wie er sich wohl fühlt (solange er dadurch nicht andere Menschen einschränkt) und niemand hat das recht ihn aufgrund seines Aussehens, seiner Körperfülle, seiner Hautfarbe etc. zu diskriminieren.
Ich fühle mich nicht wohl. Nur manchmal, wenn ich mich komplett vollgefressen wieder selbst anlüge, dann behaupte ich, dass es nichts Schöneres gibt als mit einem drückenden Magen, einem absoluten Gefühl der Taubheit und der Bewegungsflexibilität des Traunsteins auf der Couch zu liegen, die unter meinem Gewicht genauso leidet wie ich.
Der tägliche Kampf passt damit gut zum menschlichen Thema des Selbst-Quälens.
Jedes Stiegenhaus wird zur Herausforderung. Im Kopf stellt man sich dabei die Eleganz eines Airbus A350 vor, der trotz 275 Tonnen Startgewicht grazil in den Himmel aufsteigt (Ja, ich bin ein Flugzeug-Nerd). Des Weiteren erzeugt man mit seinem Atem auch ungefähr den selben Lärmpegel wie das Verkehrsmittel. Und nochmal gleichzeitig versucht man aber allfälligen Mitbesteigern des Mount Stiegenhaus etwas vorzumachen. Man unterdrückt seinen eigenen Atem, um möglichst lautlos aufzusteigen. Im Idealfall redet man dann auch noch mit den Kollegen über irgendwas, was den eigenen Sauerstoffvorrat auf den eines Sandkorns im letzten Eck des Marianengrabens reduziert.
Ich bin fit genug, ich kann Treppen steigen, atmen, den Atem unterdrücken und auch noch mit den Kollegen reden. Und ich kann dabei auch noch grinsen, lachen und jegliche Anstrengung wegignorieren. Ich bin genauso fit wie der 70 Kilo Mensch, der neben mir fast federleicht die Stufen empor schwebt. Wenns gar nicht mehr geht, täuscht man dann eben einen Hustenanfall vor. In Zeiten von Corona allerdings kein gern gesehenes Krankheitssymptom, wodurch man sich schon vor dem Stiegenhaus auf das Himmelfahrtskommando per Lift einigt.
Es geht mir gut. Ich fühle mich wohl. Ich könnte die Stufen nehmen, aber ich brauche ja niemandem etwas beweisen.
Trust your struggle! Lüg dich nicht selbst an.
Der tägliche Kampf soll eine kurze Meinung/Kurzgeschichte von mir darstellen, bei denen ich Situationen des Alltags satirisch schildere. Bitte fühle dich dadurch nicht angegriffen!
Fotocredit: DJ Johnson / Unsplash
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