
Iss doch einfach weniger
Damit ein wenig Verständnis entsteht, warum diese sicher gut gemeinte Phrase in Wahrheit einfach nicht funktioniert, habe ich ein paar Metaphern aufgelistet:
- Du möchtest keinen Gips, also brich dir einfach nicht den Fuß.
- Du verdienst zu wenig, dann verdien doch einfach mehr.
- Du arbeitest zu viel, dann arbeite doch bitte einfach weniger.
“Es wäre doch so einfach! Warum stellst du dich so an?”
Natürlich ist der Satz auf der Sachebene an sich korrekt. Es ist der pragmatische Ansatz für ein in Zahlen messbares Problem.
Würden wir in einer Welt leben, in der jegliches Handeln rational erklärbar wäre, wäre es vielleicht damit getan. Wir leben aber nunmal mit unseren Eigenschaften und Emotionen auf einem Planeten, auf dem unerklärbare Dinge passieren 🙂
“Iss doch einfach weniger” ist kein Ratschlag. Es ist eine Meinung. Eine Meinung, die jeder haben kann. Vielleicht funktioniert es ja bei dir. Vielleicht hast du die Disziplin und isst seit Jahren einfach weniger, wenn du dich zu dick fühlst.
Vielleicht hast du aber auch ganz andere Sorgen, denk mal nach! Vielleicht bist du Raucher und schaffst es nicht aufzuhören (Rauch doch einfach nicht mehr). Vielleicht hast du ein Alkoholproblem (trink doch einfach nicht mehr). Oder vielleicht kommst du immer und überall zu spät (komm doch einfach pünktlich).
Überall, wo es “menschelt”, gibt es Phänomene, die sich nicht mit einem halb klugen Satz lösen lassen.
Ist Disziplin die Lösung?
Was ist denn Disziplin eigentlich?
Substantiv, feminin [die]
- 1a.
[ohne Plural] das Einhalten von bestimmten Vorschriften, vorgeschriebenen Verhaltensregeln o. Ä.; das Sich Einfügen in die Ordnung einer Gruppe, einer Gemeinschaft
„in dieser Armee herrscht strenge Disziplin“ - 1b.
[ohne Plural] das Beherrschen des eigenen Willens, der eigenen Gefühle und Neigungen, um etwas zu erreichen
„die Disziplin gewerkschaftlich organisierter Arbeiter“
Kann man Disziplin dort einsetzen, wo Rationalität aufhört? Nein.
Es ist ein Irrglaube, dass man seinen eigenen Willen endlos in Zaum halten kann. Ich war bei meinem ersten “erfolgreichen” Abnehmversuch über ein Jahr lang diszipliniert. Ich habe alles, was irgendwie nicht in das Schema F gepasst hat, unterdrückt. Das Resultat daraus waren permanente Binge Eating Anfälle und das volle Retourprogramm zum ursprünglichen Gewicht.
Was man tun kann ist den eigenen Willen zu beeinflussen. Ernährung muss Spaß machen und zum eigenen Leben passen. Ernährung ist nicht nur essen. Ernährung ist auch genießen und sozialer Austausch. Man muss abnehmen wollen. Man muss sich gesund ernähren wollen. Man muss sich selbst beibringen, dass es nur Vorteile hat, wenn man gesünder lebt. “Iss doch einfach weniger” ist dabei keine Hilfe.
Da hast du sowas von Recht!
Nach meiner Schwangerschaft, in der ich mir so richtig gegönnt hab, stand für mich mit dem letzten Jahreswechsel fest, dass ich irgendwann wieder eine „gesunden“ BMI haben möchte. Seit meiner Jugend geht’s mit meinem Gewicht immer auf und ab. Und das hängt leider auch oft mit meiner Stimmung zusammen…
Bis Corona ging es überraschenderweise ganz gut. Ich fand Freude an Bewegung (Spaziergänge und Yoga) und eine App führte mir vor Augen, wieviel kcal ich mir eigentlich täglich einverleibte. Langsam entwickelte ich ein „Bauchgefühl“ was gut für mich ist und mich meinem Ziel näherbringt. Dann kam Corona und, oh Wunder, natürlich war es das xxl Sackerl voll Erdnuss M&m’s, dass mich etwas von der Angst und dem Stress ablenkte…
Seit dem ist fällt es mir ungeheuer schwer die Schoki wieder zur Seite zu legen. Der Yoga-Kurs startet nun wieder und ich merke laaaangsam, dass ich viel besser drauf bin, wenn ich mich bewege. Blöd, dass der erste Schritt immer soooo eine Hürde ist 🙈
Ich bin auf jeden Fall sehr auf deinen Weg gespannt und wünsche dir dafür alles Gute ✊
Toller Blog!