Wie ich Corona bisher erlebt habe

📚 Lesezeit: 5 Minuten

Der 13. März 2020 wird mir sicher noch länger in Erinnerung bleiben. Es war ein Freitag, der letzte Tag vor dem Wochenende und eigentlich meistens ein erfreulicher Tag.

Nicht so in diesem Fall. An den Tagen davor wurde bereits einiges in unserem Alltag umgekrempelt. Beim Supermarkt gab es kein Klopapier mehr und das Wort “Lockdown” schwebte über unseren Häuptern.

Tatsächlich war es nun wirklich so weit. Gemunkelt wurde ja schon länger. “Mit Montag, 16. März 2020 bleiben wir bis auf Weiteres alle im Home Office”. Im ersten Moment dachte ich mir: Wow. Wie wird das jetzt wohl weitergehen? Sieben Monate später möchte ich über ein paar Dinge Bilanz ziehen.

Der Alltag

Es war schon ziemlich ungewohnt am Anfang. Plötzlich war man nach dem Aufstehen und der Absolvierung von 20 Schritten bereits im Büro. Von heute auf Morgen konnte ich eine Jogging-Hose im Büro anziehen und sofort losarbeiten. Um Bandbreite zu schonen (auch meine eigene) haben wir Telefonkonferenzen vorerst ohne Webcam abgehalten. Ich hätte also theoretisch auch nackt arbeiten können. Ein Schreckensbild, das wir alle nicht wollen 🙂

Nach der Verkündung am Freitag bin ich noch schnell einkaufen gefahren. Ich war gerade in einem neuen Abnehmversuch – hatte also prinzipiell einiges an gesunden Lebensmitteln daheim. Ich habe aber noch die eine Packung Reis und ein paar Tiefkühlbeeren benötigt. Auch der Magertopfen-Lagerstand war schon im kritischen Bereich.

Das Einkaufen hatte was von Endzeitstimmung. Leere Regale, komplett verängstigte Kunden und irgendwie spürte man, dass da etwas über uns hereinbrach, das wir vorerst noch nicht beurteilen konnten.

Die ersten Homeoffice Wochen waren turbulent. Einerseits gab es vieles, auf das man sich beruflich einstellen musste. Telefonkonferenzen, keine Arbeitskollegen um sich und teilweise katastrophale Internetqualität im Schlusslicht-Land des europäischen Breitbandausbaus – Österreich. Davon abgesehen hat sich auch mein persönlicher Tagesablauf massiv verändert. Meine Alltagsbewegung hat sich in Richtung null bewegt. Ein bisserl einkaufen für sich und die Eltern bzw. Großeltern. Teilweise unter 1000 Schritte am Tag Bewegung.

Ein neuer Stern am Himmel

Ich bin mir nicht mehr genau sicher, ob ich den zeitlichen Ablauf korrekt darstelle. Aber irgendwann nach der Verkündung des Lockdown kam auch die Schließung der Gastronomie und der nicht systemrelevanten Handelsbetriebe. Ebenfalls kam die Tragepflicht von Mund/Nasenschutz Masken.

Soweit ich mich erinnern kann, waren die Lieferdienste die ersten gastronomie-ähnlichen Betriebe, die irgendwann wieder aufsperren durften. In meiner Stadt gab es plötzlich von der Hausmannskost-Abholmöglichkeit bis zum Online-Lieferservice einiges. Meine guten Vorsätze der ersten Tage waren schnell über den Haufen geworfen. Kein Ernährungsplan mehr, keine Diät. Ich habe die Zuverlässigkeit der Lieferdienste kennen gelernt und ich habe an 4 von 7 Tagen in der Woche gebingt. Gefressen. Irgendeinen Müll durch die Schleuse in meinem Gesicht in meinen Körper geworfen.

Nach einiger Zeit habe ich das auch gespürt, dass sich da etwas zum Negativen hin wandelt. Immerhin war die Qualität und das Angebot der Pizza-Kebab-Dudes dann doch irgendwie überschaubar und so konnte ich nach einigen Wochen der Völlerei die Notbremse ziehen. Einige Kilo hat es mir aber sicher draufgehauen.

Das Sozialverhalten von paarungsreifen Menschen

Am Anfang hat mich das Verhalten der Menschen ein wenig an die Flüchtlingskrise 2015 erinnert. Es gab überall Solidarität. Parteiübergreifende Einkaufs-Dienste haben sich zusammengetan und haben für ältere Menschen und Angehörige der Risikogruppen Besorgungen getätigt. Es herrschte viel Verständnis für die Auflagen und Veränderungen in unserem Leben.

Einige Wochen und Monate später haben wir es dafür wieder geschafft, das Land zu spalten. Oder besser gesagt: Uns spalten lassen.

Plötzlich fand man alle fünf Meter einen Virologen und alle weiteren fünf Meter einen Verfassungsrechtler. Jeder konnte plötzlich die erste Zeile aus dem Bundes-Verfassungsgesetz “Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.” zitieren. Es hat nicht lange gedauert, bis jede Menge Spinner die Situation für sich erkannt haben und vielleicht auch ganz normale aufgrund der Situation verängstigte Menschen in ihren Bann gezogen haben.

Es ist der nächste Graben, der sich durch das Land zieht. Nachdem es in den Jahren davor einige gab (VDB vs. Hofer, Raucher vs. Nichtraucher,…) haben gefühlt wieder die selben Hexenmeister ihre Opfer gefunden.

Und bitte: Man darf die Corona Situation durchaus kritisch sehen. Ich tue das auch. Ich sehe auch die wirtschaftlichen Probleme und die schlechte Performance bei den Hilfsgeldern. Ich sehe auch, dass sich die altertümliche Struktur unseres Bildungssystems in den vergangenen Monaten nicht bewährt hat. Ich sehe auch, dass man im Nachhinein vermutlich einiges anders hätte machen sollen… Diese Kritik ist meiner Meinung nach berechtigt. Ebenso wie es zumutbar sein muss, dass tatsächliche Virologen teilweise unterschiedliche Meinungen über Maßnahmen haben dürfen. Wo sich der Spaß dann aber aufhört und ich die Menschheit einfach nicht mehr verstehe, sind dann die abstrusen Theorien. Von der chinesischen Biowaffe, über die Verteilung per (nicht vorhandenem) 5G Mobilfunktnetz und der Zwangsimplementierung von Computerchips durch NWO-Kaiser Bill Gates. Nebenbei sind dann auch noch die Reichsbürger unterwegs und bekämpfen die Österreich GmbH. Ist das wirklich notwendig? Wie können wir uns von ein paar Spinnern so derart gegeneinander aufhetzen lassen?

Die gute Seite

Was mir Corona gebracht hat war Zeit. Viel Zeit für mich selbst. Ich hatte plötzlich keine Abendtermine mehr. Mit Freunden hat man sich über Skype, Zoom, MS Teams und andere Tools getroffen. Dazwischen war viel Zeit. Viel Zeit, um nachzudenken. Über sich und sein Leben.

Das hat mir gut getan. Ich wurde auf achtsames Essen aufmerksam und kann mich dank professioneller Unterstützung diesem Thema immer besser widmen. Ich sehe was und wieviel ich esse nicht mehr im Mittelpunkt meines alltäglichen Tuns. Ich habe den Kopf nicht mehr ständig bei irgendwelchen Kalorienangaben. Essen ist wieder Nahrung und Genuss für mich und nicht nur Bestandteil meiner Energiebilanz.

Ich lerne gerade, wie man sich intuitiv richtig ernährt. Und wie man ganz nebenbei damit neu zu leben beginnt. Und auch wenn es noch ein weiter Weg ist und wenn jeder Kardiologe bei meinem Anblick auf Alarmstufe rot umschaltet – ich traue mir zu behaupten, dass es mir schon lange nicht mehr so gut ging wie jetzt gerade.

Hoffen wir, dass wir bald einen langfristigen Zugang im Umgang mit dem Virus erlernen, dass die Welt aus dieser Katastrophe insgesamt etwas gelernt hat und wir so schnell und sicher wie möglich in eine tatsächliche Normalität zurückkehren können. Besiegen werden wir das Ding (und seine Nachfolger) wohl nicht können. Aber wir müssen damit leben lernen.

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